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Pflichtteil

Hier finden Sie durch einen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht aufbereitete Informationen rund um das Thema Pflichtteil am Erbe. Diese können zwar keine individuelle Beratung bei einen spezialisierten Anwalt ersetzen. Jedoch geben sie einen ersten Einblick in die teils schwierige Rechtslage und die komplexen Zusammenhänge des Pflichtteilsrechts:

Der Pflichtteil am Erbe – kurz vom Fachanwalt für Erbrecht zusammengefasst:

  • Jeder kann in seinem Testament seine Erben frei bestimmen und auch enge Angehörige enterben oder bei der Erbeinsetzung nicht berücksichtigen.
  • Werden z.B. Kinder und Ehepartner im Testament oder Erbvertrag nicht bedacht, haben sie einen Anspruch auf den sogenannten Pflichtteil.
  • Der Pflichtteilsanspruch muss aktiv gegenüber den Erben innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden.
  • Der oder die Erben sind gegenüber den Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen verpflichtet, Auskunft über den Nachlass zu erteilen.
  • Eine Berechnung des Pflichtteils ist immer dann besonders kompliziert, wenn lebzeitige Schenkungen oder Übertragungen, Pflege- oder Hilfeleistungen und Bewertungen von Nachlassgegenständen (Immobilien, Schmuck, Kunst) eine Rolle spielen bzw. spielen könnten.
  • Auch durch ein sog. Berliner Testament werden Kinder im ersten Erbfall enterbt.
  • Die Pflichtteilsquote ist halb so hoch wie die gesetzliche Erbquote.

Der Pflichtteil – eine ausführliche Erläuterung vom Anwalt:

 

Sie wissen schon, dass Ihnen eine individuelle Beratung lieber ist?

Selbstverständlich können Sie sich für eine erbrechtliche Beratung zu Ihrem Anliegen zum Thema Pflichtteil am Erbe (einfordern, abwehren, informieren) gerne jederzeit bei uns melden und einen Termin vereinbaren:

 

 

Was ist der Pflichtteil bzw. der Pflichtanteil überhaupt?

 

Juristisch korrekt heißt es Pflichtteil bzw. Pflichtteilsanspruch. Der Begriff Pflichtanteil wird allenfalls umgangssprachlich benutzt und steht so nicht in einem Gesetz. Der Pflichtteilsanspruch sichert vor allem Abkömmlingen eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Und zwar ausschließlich in Form von Geld. Der Pflichtteilsberechtigte erhält das Geld vom Erben bzw. von den Erben. Dies passiert nicht automatisch. Der Pflichtteil muss aktiv innerhalb der bestehenden Verjährungsfristen (3 Jahre) gegenüber den Erben geltend gemacht bzw. eingefordert werden. Idealerweise schriftlich. Das Anschreiben an den Erben kann zudem so formuliert werden, dass ab einer bestimmten Frist Verzugszinsen anfallen.

 

Wer erhält bzw. welche Personen erhalten den Pflichtteil?

 

Der Kreis der möglichen Pflichtteilsberechtigten ist klein und wird durch bestehende Gesetze geregelt. Ausschließlich folgende Personen sind pflichtteilsberechtigt:

 

  • Die Eltern des Erblassers sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser keine eigenen Abkömmlinge (z.B. Kinder, Enkel, Urenkel) hatte oder sämtliche Abkömmlinge vorverstorben sind.
  • Andere Personen (z.B. Geschwister, Neffen, Nichten, Onkel, Tante, Großeltern, Lebensgefährten, Freunde) erhalten niemals einen Pflichtteil vom Erbe. Sie gehen, wenn die verstorbene Person andere Personen als Erben eingesetzt hat, völlig leer aus. Außer, Ihnen wird im Wege eines Vermächtnisses etwas zugewandt.

 

Welche Voraussetzungen gibt es für einen Pflichtteilsanspruch?

 

 

Wichtiger Hinweis:

Hier ist jedoch zu prüfen, ob ggf. durch eine im Testament oder Erbvertrag angeordnete Pflichtteilsklausel (auch: Pflichtteilstrafklausel) die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erstversterbenden durch eine Enterbung auch im zweiten Erbfall sanktioniert bzw. bestraft wird. Wer dann nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, ist dann ggf. automatisch auch im zweiten Erbfall enterbt und erhält lediglich den Pflichtteil.

In einer solchen Konstellation ist die zügige Einholung anwaltliches Rates sehr sinnvoll.

 

Unter welchen besonderen Voraussetzungen hat auch (ausnahmsweise) eine als Erbe eingesetzte Person pflichtteilsrechtliche Ansprüche?

 

 

  • Wer vom Verstorbenen als Nacherbe eingesetzt worden ist, ist nicht enterbt und damit eigentlich nicht pflichtteilsberechtigt. Ausnahmsweise kann er jedoch gemäß § 2306 BGB den Pflichtteil geltend machen, wenn er die Vorerbschaft fristgerecht (Achtung: 6-Wochen-Frist, Nacherbfall) ausschlägt.
  • Wer vom Verstorbenen zwar als Erbe eingesetzt worden ist, aber durch Vermächtnisse, Vorausvermächtnisse, Teilungsanordnungen, einen Testamentsvollstrecker oder Auflagen benachteiligt (beschwert bzw. beschränkt) ist, kann ebenfalls ausnahmsweise gemäß § 2306 BGB den Pflichtteil geltend machen, wenn er die Erbschaft fristgerecht (Achtung: 6-Wochen-Frist) ausschlägt.

 

Bitte beachten Sie:

In sämtlichen vorgenannten Konstellationen sollten Sie immer schnellstmöglich anwaltlichen Rat einholen. Es läuft hier eine 6-Wochen-Frist. Die Frist beginnt (spätestens mit  der Testamentseröffnung. Also mit der Übersendung der Verfügungen von Todes wegen (Testamente, Erbverträge).

 

 

 

Wann hat ausnahmsweise auch die als Erbe eingesetzte Person (über die Erbschaft hinausgehende) pflichtteilsrechtliche Ansprüche?

 

 

Achtung:

In einigen wenigen Fallkonstellationen sollte auch hier in Erwägung gezogen werden, die Erbschaft innerhalb einer 6-Wochen-Frist auszuschlagen.

Jedoch können hier wegen der Vielzahl und der hohen Komplexität nicht sämtliche tatsächlich mögliche Fallkonstellationen beschrieben werden.

Bitte beachten Sie:

Hier sollten Sie daher immer schnellstmöglich anwaltlichen Rat einholen (Achtung: ggf. läuft 6-Wochen-Frist).

 

 

 

Welche Besonderheiten gibt es, wenn der Pflichtteilsberechtigte zwar enterbt, jedoch mit einem Vermächtnis bedacht wurde?

 

 

Achtung:

Sind Sie als pflichtteilsberechtige Person zum einen enterbt und zum anderen mit einem Vermächtnis begünstigt, sollten Sie immer schnellstmöglich anwaltlichen Rat einholen (Achtung: ggf. läuft 6-Wochen-Frist).

 

 

 

Wann sollte der Ehepartner trotz Einsetzung als Erbe die Erbschaft ggf. ausschlagen und Pflichtteilsansprüche geltend machen?

 

Lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (kein Ehevertrag), kann es ratsam sein, dass der überlebende Ehepartner die Erbschaft ausschlägt (Achtung: 6-Wochen-Frist). So erhält er den Pflichtteil und den rechnerischen Zugewinnausgleich. Dies kann mehr sein, als sein Erbe.

Bitte beachten Sie:

Sind Sie Ehepartner und haben während der Ehe deutlich weniger Vermögen angesammelt als Ihr verstorbener Ehepartner, sollten Sie immer Rat einem Anwalt einholen (Achtung: ggf. läuft 6-Wochen-Frist).

 

 

Wie wird der Pflichtteil beim Erben berechnet?

 

Bei der Berechnung des Pflichtteilanspruches kommt es u.a. auf folgende Einflussfaktoren an:

  1. Höhe der Pflichtteilsquote
  2. Wert des Nachlasses des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalles
  3. Vertragliche und gesetzliche Anrechnungs- und Ausgleichspflichten
    • anrechnungspflichtige Zuwendungen des Erblassers (Verstorbenen) an den Pflichtteilsberechtigten (§ 2315 BGB)
    • ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge (§§ 2316, 2050 BGB)
    • ausgleichungspflichtige besondere Leistungen eines Abkömmlings zugunsten des Erblassers, wie z.B. Pflege oder Hilfe im Haushalt (§ 2357a BGB)
  4. Lebzeitige Übertragungen und Schenkungen des Erblassers (Pflichtteilsergänzungsanspruch)
    • lebzeitige Schenkungen bzw. Übertragungen des Erblassers (§ 2325 BGB, Pflichtteilsergänzungsanspruch)
    • Schenkungen bzw. Übertragungen des Erblassers an diejenige Person, die Pflichtteilsansprüche geltend macht (Eigengeschenke)

 

 

Sämtliche vorgenannten Einflussfaktoren können ggf. die rechnerische Höhe des individuellen Pflichtteilsanspruch erhöhen oder reduzieren. Der an den Pflichtteilsberechtigten zu zahlende Geldbetrag wird aus dem Zusammenspiel all dieser Einflussfaktoren berechnet und die Berechnung kann daher mitunter sehr komplex sein.
Es besteht jederzeit die Gefahr, dass der Pflichtteilsanspruch falsch berechnet wird.

 

Wie hoch ist die Pflichtteilsquote?

Die Pflichtteilsquote entspricht der Hälfte der gesetzlichen Erbquote (§ 2303 Absatz 1 Satz 2 BGB). In einigen Fällen kann sie kompliziert zu berechnen sein. In den nachfolgenden Tabellen sehen Sie auf einen Blick die Höhe der in Ihrem Anliegen richtigen Pflichtteilsquote.

Welche Pflichtteilsquote haben Kinder bzw. Enkelkinder (Erblasser war verheiratet)? Pflichtteil Kinder?

 

Erblasser war verheiratet im Güterstand der… Anzahl der Kinder bzw. Stämme (bei vorverstorbenen Kindern wird deren Pflichtteil anteilig auf deren Kindern verteilt, haben die vorverstorbenen Kinder keine Abkömmlinge, werden sie nicht mitgezählt)
1 Kind (Stamm) 2 Kinder (2 Stämme) 3 Kinder (3 Stämme) 4 Kinder (4 Stämme) 5 Kinder (5 Stämme) 6 Kinder (6 Stämme)
Zugewinngemeinschaft
(Normalfall, ohne Ehevertrag)
1/4 1/8 1/12 1/16 1/20 1/24
Gütertrennung 1/4 1/6 1/8 3/32 3/32 1/16
Gütergemeinschaft 3/8 3/16 3/24 3/32 3/32 1/16
deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 3/8 3/16 3/24 3/32 3/32 1/16

 

Welche Pflichtteilsquote haben Kinder bzw. Enkelkinder (Erblasser war nicht verheiratet)? Pflichtteil Kinder?

 

Anzahl der Kinder bzw. Stämme (bei vorverstorbenen Kindern wird deren Pflichtteil anteilig auf deren Kindern verteilt, haben die vorverstorbenen Kinder keine Abkömmlinge, werden sie nicht mitgezählt)
1 Kind (Stamm) 2 Kinder (2 Stämme) 3 Kinder (3 Stämme) 4 Kinder (4 Stämme) 5 Kinder (5 Stämme) 6 Kinder (6 Stämme)
1/2 1/4 1/6 1/8 1/10 1/12

 

Wie hoch ist die Pflichtteilsquote des Ehepartners?

 

Güterstand Erblasser hatte Kinder, Enkel oder Urenkel

Erblasser hatte keine Kinder

und dessen Eltern, Geschwister oder Neffen bzw. Nichten leben noch

1 Kind (Stamm) 2 Kinder (2 Stämme) 3 Kinder (3 Stämme)
Zugewinngemeinschaft
(Normalfall, ohne Ehevertrag)
 
großer Pflichtteil 1/4 1/4 1/4 3/8
oder  
kleiner Pflichtteil + rechnerischer Zugewinnausgleich 1/8 1/8 1/8 1/4
Gütertrennung 1/4 1/6 1/8 1/4
Gütergemeinschaft 1/8 1/8 1/8 1/4
deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 1/8 1/8 1/8 1/4

Wird der Ehepartner Erbe oder nimmt ein Vermächtnis an, so kann er den sog. „großen Pflichtteil“ (erbrechtliche Lösung) fordern. Beim „großen Pflichtteil“ erhöht sich der für die Berechnung der Pflichtteilsquote maßgebende rechnerischen Erbteil um 1/4 als pauschaler Zugewinnausgleich. Jedoch erhält der Ehepartner in diesem Falle dann keinen zusätzlichen rechnerischen Zugewinn.

In bestimmten Fallkonstellation kann es daher für einen Ehepartner sogar ratsam bzw. finanziell vorteilhafter sein, innerhalb einer 6-Wochen-Frist sein Erbe auszuschlagen, um so neben dem kleinen Pflichtteil zusätzlichen den rechnerischen Zugewinnausgleich fordern zu können.

 

Bitte beachten Sie:

In sämtlichen vorgenannten Konstellationen sollten Sie immer schnellstmöglich (Achtung: 6-Wochen-Frist) anwaltlichen Rat einholen.

 

 

 

Welche Pflichtteilsquote haben die Eltern (Erblasser war nicht verheiratet)?

 

Eltern haben folgende Pflichtteilsquoten wenn ihr Kind (Erblasser = Verstorbener) nicht verheiratet war (Pflichtteil der Eltern):
mindestens ein Abkömmling des Erblassers (Kindes) lebt noch Erblasser hatte keine Kinder
nur noch ein Elternteil lebt beide Elternteile leben jeweils
0 1/2 1/4

 

Welche Pflichtteilsquote haben die Eltern (Erblasser war verheiratet)?

 

Güterstand, in dem das verstorbene Kind mit seinem Ehepartner gelebt hat verstorbenes Kind hat eigene lebende Abkömmlinge Erblasser hatte keine Kinder, nur noch ein Elternteil lebt Erblasser hatte keine Kinder,  beide Elternteile leben (jeweils)
Zugewinngemeinschaft (Normalfall, ohne Ehevertrag)  
Ehepartner des Kindes ist Erbe oder Vermächtnisnehmer 0 1/8 1/16
oder  
Ehepartner des Kindes ist (mglw. wegen Ausschlagung) weder Erbe noch Vermächtnisnehmer 0 1/4 1/8
Gütertrennung 0 1/4 1/8
Gütergemeinschaft 0 1/4 1/8
deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 0 1/4 1/8

 

Wie wird die Höhe des Nachlasswertes berechnet?

Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch ist der Nachlasswert. Der Nachlasswert bestimmt sich ausschließlich nach dem eigenen Vermögen des Erblassers. Das Vermögen anderer Personen, z.B. des Ehepartners, wird in der Regel nicht berücksichtigt.

Der Nachlasswert ist gemäß §§ 2311-2313 BGB zu ermitteln. Maßgebender Zeitpunkt für die Wertermittlung ist der Erbfall. Bei der Berechnung sind sämtliche Aktivapositionen (Guthabenwerte) zu addieren und sämtliche Passivapositionen (Verbindlichkeiten) abzuziehen. Aus dem so errechneten Saldo wird anhand der Pflichtteilsquote der Pflichtteil ermittelt.

Folgende Passivapositionen könnten beispielsweise den Nachlasswert reduzieren:

  • Beerdigungskosten
  • offene Erblasserrechnungen
  • Nachlassbewertungskosten (z.B. für Sachverständigengutachten, Kostenvoranschläge)
  • Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis
  • Kosten für eine Nachlassverwaltung, Nachlasssicherung, Nachlasspflegschaft, Inventarerrichtung, Ermittlung der Nachlassgläubiger, Aufgebotsverfahrens, etc.
  • gewährte Darlehen
  • Verbindlichkeiten
  • Steuerschulden
  • Zugewinnausgleich an überlebenden Ehegatten
  • ggf. Unterhaltsansprüche

Für sämtliche vorgenannten Positionen ist ggf. der Verkehrswert bzw. der allgemeine Wert zu ermitteln. In der Praxis kommt es im Rahmen der Wertermittlung häufig zu Streitigkeiten zwischen den Erben und den Pflichtteilsberechtigten.

 

 

Wie ermittelt man den Verkehrswert von Nachlassgegenständen?

Die pflichtteilsberechtigte Person kann vom Erben oder den Erben auch verlangen, dass der Wert von einzelnen Nachlassgegenstände ermittelt wird (sog. Wertermittlungsanspruch).

Denn in einem Nachlassverzeichnis müssen nicht unbedingt die Werte angegeben werden. Der Wertermittlungsanspruch muss separat vom Erben oder den Erben separat verlangt werden.

Die Wertermittlung einzelner Nachlassbestandteile (z.B. Immobilien oder Schmuckstück) erfolgt durch einen vom Erben beauftragten Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses. Über das Ergebnis des Sachverständigengutachtens gibt es häufig unterschiedliche Ansichten.

 

Welche Anrechnungs- und Ausgleichspflichten sind ggf. zu berücksichtigen?

In einigen Erbfällen sind auch im Pflichtteilsrecht Anrechnungs- und Ausgleichspflichten zu beachten:

  • Der Pflichtteilsberechtigte hat sich das auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.
    Sprich, sobald der Verstorbene etwas an den Pflichtteilsberechtigten schenkt und sagt, dass er dieses Geschenk auf den Pflichtteil anrechnen lassen muss, ist es bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2315 BGB zu berücksichtigen.
  • Wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind, so kommt es zwischen diesen ggf. zu Ausgleichspflichten (§ 2050 BGB). Dies könnte dann der Fall sein, wenn es lebzeitig regelmäßige (monatliche) Zahlungen im Übermaß gab oder die Ausbildung eines Abkömmlings im Übermaß durch den Erblasser finanziert wurde. Weiter könnten Ausgleichspflichten aufgrund einer Ausstattung entstehen. Eine Ausstattung ist alles, was einem Kind mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von dem Vater oder der Mutter zugewendet wird.
    Die Ausgleichspflichten sind bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen (§§ 2050, § 2316 BGB).
  • Ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, kann bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen gemäß § 2057a BGB verlangen. Solche Leistungen sind aber auch nach § 2316 BGB bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen.

Die Berechnung des Pflichtteils im Falle einer Anrechnungspflicht und/oder einer Ausgleichungspflicht stellt sich mitunter recht kompliziert dar. Ebenso ist nicht immer auf den ersten Blick klar, ob tatsächlich anzurechnen oder auszugleichen ist.

Da sich hier jedoch der Pflichtteilsanspruch deutlich erhöhen oder ggf. auch verringern kann, empfiehlt es sich immer anwaltlichen Rat einzuholen.

 

Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

 

Beispiel:

Der verwitwete Erblasser enterbt seine einzige Tochter. Alleinerbin wird die Lebensgefährtin.

Der Wert des Nachlasses abzgl. sämtlicher Passiva beläuft sich auf 40.000 Euro.

Einige Tage vor dem Tod hatte der Verstorbene zudem seiner Lebensgefährtin sein Kraftfahrzeug im Wert von 40.000 Euro geschenkt.

Damit erhält die Tochter bei einer Pflichtteilsquote von 1/2 einen Pflichtteil von 20.000 Euro.

Wegen der Schenkung des Kraftfahrzeuges erhält sie als Ergänzungspflichtteil wegen ihrer Pflichtteilsquote von 1/2 jedoch weitere 20.000 Euro.

Die Tochter hat daher einen Anspruch auf den gesamten Nachlass, insgesamt bekommt sie also 40.000 Euro.

 

 

  • Welche Schenkungen sind zu berücksichtigen?

    Pflichtteilsergänzungsrelevant sind bis auf wenige Ausnahme (siehe weiter unten) sämtliche Schenkungen.

    Eine Schenkung liegt immer dann vor, wenn eine Person einer anderen Person etwas gibt und dadurch das Vermögen der einen Person verringert und das der anderen ohne einer Gegenleistung bzw. nur mit einer teilweisen Gegenleistung (gemischte Schenkung) erhöht wird. Zudem müssen sich die beiden Personen über die Unentgeltlichkeit bzw. teilweise Unentgeltlichkeit einig sind.

  • Welche Schenkungen sind ggf. nicht zu berücksichtigen (Anstands- und Pflichtschenkungen)?

    Gemäß § 2330 BGB sind Anstands- und Pflichtschenkungen von der Ergänzungspflicht ausgenommen.

    Eine bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht zu berücksichtigende Pflichtschenkung kann möglicherweise vorliegen, wenn 

    • die Altersversorgung oder der Lebensunterhalt eines langjährigen Lebenspartners gesichert werden soll,
    • Bedürftige, nahe Verwandte, die keinen rechtlichen Unterhaltsanspruch mehr haben, unterstützt werden sollen,
    • jemand, der viele Jahre unentgeltlich im Haushalt mitgearbeitet hat, beschenkt werden soll.

    Unter die nicht den Pflichtteilsergänzungsanspruchs erhöhenden Anstandsschenkungen können möglicherweise

    • gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke,
    • Geschenke unter nahen Verwandten zu Geburtstagen, Hochzeitstagen, Weihnachten oder ähnlichen Gelegenheiten,
    • Gastgeschenke
    • und Spenden fallen.

Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Schenkung der Pflichtteilergänzung unterliegt oder nicht.

 

 

Was hat es mit der 10-Jahres-Frist auf sich?

Eine Schenkung wird gemäß § 2325 Abs.3 BGB innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang und innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein weiteres Zehntel weniger berücksichtigt (Abschmelzung oder pro-rata-Lösung). Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Die Schenkung ereignete sich (maßgebend ist fast immer der Eigentumsübergang) bis längstens genau Berücksichtigung in Prozent:
1 Jahr vor dem Todestag zu 100 %
2 Jahre vor dem Todestag zu 90 %
3 Jahre vor dem Todestag zu 80 %
4 Jahre vor dem Todestag zu 70 %
5 Jahre vor dem Todestag zu 60 %
6 Jahre vor dem Todestag zu 50 %
7 Jahre vor dem Todestag zu 40 %
8 Jahre vor dem Todestag zu 30 %
9 Jahre vor dem Todestag zu 20 %
10 Jahre vor dem Todestag zu 10 %
über 10 Jahre vor dem Todestag zu 0 %

Beispiel:

Der Todestag ist am 11.11.2020.

Die Schenkung des Verstorbenen vom 09.11.2019 wäre mit 90 % zu berücksichtigen (zwischen Schenkung und Todestag liegt mehr als 1 Jahr, aber weniger als 2 Jahre).

Eine Schenkung des Verstorbenen vom 12.11.2019 wäre, da noch kein volles Jahr zwischen Schenkung und Todestag vergangen ist, mit 100 % zu berücksichtigen.

Wäre die Schenkung vom 09.11.2019 jedoch an den Ehepartner erfolgt, wäre sie ebenfalls mit 100% zu berücksichtigen.

 

Wann kommt es überhaupt nicht auf die 10-Jahres-Frist an?

Oder aber wenn der Erblasser das von ihm verschenkte Fahrzeug ausschließlich selbst fährt. Letztlich können ggf. auch vorbehalte Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte den Fristbeginn verhindern.

In all diesen Fällen findet keine Abschmelzung (Reduzierung des Schenkwertes um jährlich 10 %) statt bzw. auch länger als 10 Jahre zurückliegende Schenkungen sind bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches zu berücksichtigen.

 

 

Wie werden Schenkungen an die pflichtteilsberechtigte Person berücksichtigt (Eigengeschenke)?

Achtung:

Bei diesen Eigegengeschenken an die pflichtteilsberechtigte Person findet die 10-Jahresregel und damit die jährliche Abschmelzung keine Anwendung.

D.h., auch Schenkungen die länger als 10 Jahre vor dem Tod stattfanden, werden zu 100 % zu Ungunsten des Pflichtteilsberechtigten im Rahmen der Pflichtteilsergänzung berücksichtigt.

 

Beispiel:

Der verwitwete Verstorbene hat seine Tochter zur Alleinerbin eingesetzt und dieser 5,5 Jahre vor dem Tod 80.000 € (schon indexiert) geschenkt. Der Nachlass beläuft sich nach dem Ausgleich sämtlicher Verbindlichkeiten auf null Euro. Seinem enterbten Sohn hatte er 20 Jahre vor seinem Tod einen Betrag von 8.000 € (schon indexiert) geschenkt.

Zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruch werden beide Schenkungen zunächst addiert. Die Schenkung an die Tochter wird aufgrund der Abschmelzung lediglich mit 40.000 € berücksichtigt. Die Schenkung an den Sohn wird jedoch trotz des lang zurückliegenden Schenkungszeitpunktes (20 Jahre) zu 100 % berücksichtigt. Damit ergibt sich ein Ergänzungsnachlass von 48.000 €. Die Pflichtteilsquote des Sohnes liegt bei 1/4 und der Pflichtteilsergänzungsanspruch würde sich damit auf 12.000 € belaufen. Auf diese 12.000 € muss sich der Sohn jedoch sein Eigengenschenk in Höhe von 8.000 € anrechnen lassen. So erhält er letztendlich lediglich 4.000 €.

 

Tipp:

Soweit der Nachlass nicht zur Zahlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ausreicht, kann das Geschenk auch gemäß § 2329 BGB von dem oder den Beschenkten zurückverlangt werden.

Damit reduzieren sämtliche Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten – egal wann diese stattfanden – dessen Pflichtteilsergänzungsanspruch.

 

 

Wann verjährt der Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch?

 

 

Bitte beachten Sie:

Die 3-jährige Verjährungsfrist beginnt ausnahmsweise schon mit dem Todestag, wenn Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beschenkten geltend gemacht werden.

Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den vom am 11.11.2020 verstorbenen Beschenkten wären also beispielsweise schon am 12.11.2023 verjährt.

 

 

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Rechtsanwalt Ralf Mangold ist Fachanwalt für Erbrecht. Er ist in der Zeitschrift ‚Focus Spezial Anwälte 2017 und 2018‘ als Top-Anwalt im Erbrecht gelistet.

Rechtsanwältin Marie-Christine Meysel ist ebenfalls Fachanwältin für Erbrecht. Sie war zunächst in zwei mittelständischen Kanzleien mit besonderer familien- und erbrechtlichen Spezialisierung tätig und wechselte dann zu uns, zu Erbrecht Mangold, Fachkanzlei für Erbrecht.

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Rechtsanwalt Ralf Mangold ist in der Zeitschrift Focus Spezial Anwälte 2018 als Top-Anwalt im Erbrecht gelistet.

Veröffentlichungen

Buch 100 typische Mandate

Die 100 typischen Mandate im Erbrecht

 

Buch: Das erbrechtliche Mandat

Das erbrechtliche Mandat

 
 

Mandanten-Feedback auf Anwalt.de

  • Herr RA Mangold hat uns in einem Erbfall mit komplizierten familiären / finanziellen Rahmenbedingungen sehr schnell, freundlich und kompetent beraten. Dafür hat er eine schnelle und für alle Familienangehörigen günstige Lösung ausgearbeitet.

    S.J.
  • Herr RA Mangold hat sich intensiv mit unserem Nachlassfall beschäftigt und uns alle Möglichkeiten des Handelns aufgezeigt. Die Beratung war sehr gut, wir fühlen uns in unserem Problemfall gut unterstützt und vorbereitet. Jetzt liegt es an uns. Auch wenn man es sich wirklich nicht wünscht, ...gerne wieder mit RA Mangold.

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    L.D.
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    D.P.