Der Pflichtteil am Erbe – kurz vom Fachanwalt für Erbrecht zusammengefasst:
- Jeder kann in seinem Testament seine Erben frei bestimmen und auch enge Angehörige enterben oder bei der Erbeinsetzung nicht berücksichtigen.
- Werden z.B. Kinder und Ehepartner im Testament oder Erbvertrag nicht bedacht, haben sie einen Anspruch auf den sogenannten Pflichtteil.
- Der Pflichtteilsanspruch muss aktiv gegenüber den Erben innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden.
- Der oder die Erben sind gegenüber den Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen verpflichtet, Auskunft über den Nachlass zu erteilen.
- Eine Berechnung des Pflichtteils ist immer dann besonders kompliziert, wenn lebzeitige Schenkungen oder Übertragungen, Pflege- oder Hilfeleistungen und Bewertungen von Nachlassgegenständen (Immobilien, Schmuck, Kunst) eine Rolle spielen bzw. spielen könnten.
- Auch durch ein sog. Berliner Testament werden Kinder im ersten Erbfall enterbt.
- Die Pflichtteilsquote ist halb so hoch wie die gesetzliche Erbquote.
Der Pflichtteil – eine ausführliche Erläuterung vom Anwalt:
Inhaltsverzeichnis (zum antippen)
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- Was ist der Pflichtteil bzw. Pflichtanteil überhaupt?
- Wer erhält den Pflichtteil?
- Welche Voraussetzungen gibt es für einen Pflichtteilsanspruch?
- Unter welchen besonderen Voraussetzungen hat auch (ausnahmsweise) eine als Erbe eingesetzte Person pflichtteilsrechtliche Ansprüche?
- Wann hat ausnahmsweise auch die als Erbe eingesetzte Person (über die Erbschaft hinausgehende) pflichtteilsrechtliche Ansprüche?
- Welche Besonderheiten gibt es, wenn der Pflichtteilsberechtigte zwar enterbt, jedoch mit einem Vermächtnis bedacht wurde?
- Wann sollte der Ehepartner trotz Einsetzung als Erbe die Erbschaft ggf. ausschlagen und Pflichtteilsansprüche geltend machen?
- Wie wird der Pflichtteil beim Erben berechnet?
- Wie hoch ist die Pflichtteilsquote?
- Welche Pflichtteilsquote haben Kinder bzw. Enkelkinder (Erblasser war verheiratet)?
- Wie hoch ist die Pflichtteilsquote des Ehepartners?
- Welche Pflichtteilsquote habe die Eltern (Erblasser war nicht verheiratet)?
- Welche Pflichtteilsquote haben die Eltern (Erblasser war verheiratet)?
- Wie wird die Höhe des Nachlasswertes berechnet?
- Wie ermittelt man den Verkehrswert von Nachlassgegenständen?
- Welche Anrechnungs- und Ausgleichspflichten sind ggf. zu berücksichtigen?
- Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch (Stichwort: Schenkungen)?
- Welche Schenkungen sind zu berücksichtigen?
- Welche Schenkungen sind nicht zu berücksichtigen (Anstands- und Pflichtschenkungen)?
- Mit welchem Wert sind Schenkungen zu berücksichtigen?
- Was hat es mit der 10-Jahres-Frist auf sich?
- Wann kommt es überhaupt nicht auf die 10-Jahres-Frist an?
- Wie werden Schenkungen an die pflichtteilsberechtigte Person selbst berücksichtigt (Eigengeschenke)?
- Wann verjährt der Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch?
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Selbstverständlich können Sie sich für eine erbrechtliche Beratung zu Ihrem Anliegen zum Thema Pflichtteil am Erbe (einfordern, abwehren, informieren) gerne jederzeit bei uns melden und einen Termin vereinbaren:
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Was ist der Pflichtteil bzw. der Pflichtanteil überhaupt?
Juristisch korrekt heißt es Pflichtteil bzw. Pflichtteilsanspruch. Der Begriff Pflichtanteil wird allenfalls umgangssprachlich benutzt und steht so nicht in einem Gesetz. Der Pflichtteilsanspruch sichert vor allem Abkömmlingen eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Und zwar ausschließlich in Form von Geld. Der Pflichtteilsberechtigte erhält das Geld vom Erben bzw. von den Erben. Dies passiert nicht automatisch. Der Pflichtteil muss aktiv innerhalb der bestehenden Verjährungsfristen (3 Jahre) gegenüber den Erben geltend gemacht bzw. eingefordert werden. Idealerweise schriftlich. Das Anschreiben an den Erben kann zudem so formuliert werden, dass ab einer bestimmten Frist Verzugszinsen anfallen.
Wer erhält bzw. welche Personen erhalten den Pflichtteil?
Der Kreis der möglichen Pflichtteilsberechtigten ist klein und wird durch bestehende Gesetze geregelt. Ausschließlich folgende Personen sind pflichtteilsberechtigt:
- Zunächst sind immer die Kinder des Verstorbenen (auch adoptierte) sowie der Ehepartner pflichtteilsberechtigt. Ebenso der gleichgeschlechtliche Lebenspartner (nach dem LPartG). Die Pflichtteilsberechtigung bei diesen Personen entfällt nur bei Erbunwürdigkeit oder bei lebzeitigem notariellem Verzicht auf den Pflichtteil. Einige Besonderheiten gibt es ggf. bei nichtehelichen Kindern, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden.
- Enkelkinder sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn das jeweilige Kind des Erblassers (also der Vater oder die Mutter des jeweiligen Enkelkindes) vor dem Erblasser vorverstorben ist. In Ausnahmenfällen auch dann, wenn das jeweilige Kind des Verstorbenen die Erbschaft ausgeschlagen hat oder erbunwürdig ist. Manchmal sogar auch dann, wenn lebzeitig auf die Erbschaft oder den Pflichtteil durch die Kinder verzichtet wurde.
- Die Eltern des Erblassers sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser keine eigenen Abkömmlinge (z.B. Kinder, Enkel, Urenkel) hatte oder sämtliche Abkömmlinge vorverstorben sind.
- Andere Personen (z.B. Geschwister, Neffen, Nichten, Onkel, Tante, Großeltern, Lebensgefährten, Freunde) erhalten niemals einen Pflichtteil vom Erbe. Sie gehen, wenn die verstorbene Person andere Personen als Erben eingesetzt hat, völlig leer aus. Außer, Ihnen wird im Wege eines Vermächtnisses etwas zugewandt.
Welche Voraussetzungen gibt es für einen Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch steht nur denjenigen zu, die durch ein Testament oder ein Erbvertrag enterbt worden sind (Ausnahmen siehe weiter unten!).
Die Enterbung kann direkt stattfinden (XY ist enterbt) oder indirekt, also einfach dadurch, dass ausschließlich andere Personen ausdrücklich als Erben benannt werden.
Weiter gibt es folgende Regeln:
- Wer ausschließlich Ersatzerbe sein soll, ist ebenfalls enterbt und damit pflichtteilsberechtigt.
- Vorerben und Nacherben sind Erben und damit nicht pflichtteilsberechtigt. Jedoch kann es hier ratsam sein, an eine Ausschlagung zu denken (siehe weiter unten).
- Ist der mögliche Pflichtteilsberechtigte in einem gemeinschaftlichen Testament bzw. Ehegattentestament oder in einem Ehegattenerbvertrag ausschließlich als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt (als sog. Schlusserbe), ist er beim Tod des erstversterbenden Ehegatten ebenfalls enterbt und damit pflichtteilsberechtigt.
Wichtiger Hinweis:
Hier ist jedoch zu prüfen, ob ggf. durch eine im Testament oder Erbvertrag angeordnete Pflichtteilsklausel (auch: Pflichtteilstrafklausel) die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erstversterbenden durch eine Enterbung auch im zweiten Erbfall sanktioniert bzw. bestraft wird. Wer dann nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, ist dann ggf. automatisch auch im zweiten Erbfall enterbt und erhält lediglich den Pflichtteil.
In einer solchen Konstellation ist die zügige Einholung anwaltliches Rates sehr sinnvoll.
Unter welchen besonderen Voraussetzungen hat auch (ausnahmsweise) eine als Erbe eingesetzte Person pflichtteilsrechtliche Ansprüche?
Eine als Erbe eingesetzte pflichtteilsberechtigte Person bekommt normalerweise keinen Pflichtteil. Auch dann nicht, wenn sie die Erbschaft fristgerecht ausschlägt.
Ein Pflichtteilsanspruch kann in folgenden Fallkonstellationen ausnahmsweise auch nach Ausschlagung der Erbschaft (sog. taktische Ausschlagung; Achtung: 6-Wochen-Frist) verlangt werden:
- Sämtliche vom Verstorbenen als Vorerbe eingesetzte pflichtteilsberechtigte Personen sind nicht enterbt und damit eigentlich nicht pflichtteilsberechtigt. Ausnahmsweise können sie jedoch gemäß § 2306 BGB den Pflichtteil geltend machen, wenn er die Vorerbschaft fristgerecht (Achtung: 6-Wochen-Frist) ausschlägt.
- Wer vom Verstorbenen als Nacherbe eingesetzt worden ist, ist nicht enterbt und damit eigentlich nicht pflichtteilsberechtigt. Ausnahmsweise kann er jedoch gemäß § 2306 BGB den Pflichtteil geltend machen, wenn er die Vorerbschaft fristgerecht (Achtung: 6-Wochen-Frist, Nacherbfall) ausschlägt.
- Wer vom Verstorbenen zwar als Erbe eingesetzt worden ist, aber durch Vermächtnisse, Vorausvermächtnisse, Teilungsanordnungen, einen Testamentsvollstrecker oder Auflagen benachteiligt (beschwert bzw. beschränkt) ist, kann ebenfalls ausnahmsweise gemäß § 2306 BGB den Pflichtteil geltend machen, wenn er die Erbschaft fristgerecht (Achtung: 6-Wochen-Frist) ausschlägt.
Bitte beachten Sie:
In sämtlichen vorgenannten Konstellationen sollten Sie immer schnellstmöglich anwaltlichen Rat einholen. Es läuft hier eine 6-Wochen-Frist. Die Frist beginnt (spätestens mit der Testamentseröffnung. Also mit der Übersendung der Verfügungen von Todes wegen (Testamente, Erbverträge).
Wann hat ausnahmsweise auch die als Erbe eingesetzte Person (über die Erbschaft hinausgehende) pflichtteilsrechtliche Ansprüche?
Zu denken ist hier an den Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB (Pflichtteilsrestanspruch).
Achtung:
Einen Zusatzpflichtteil steht dem Pflichtteilsberechtigten nur dann zu, wenn der ihm unbeschränkt und unbeschwert hinterlassene Erbteil bei Betrachtung der Erbquote (nicht bei Betrachtung der Höhe der Werte/Geldbeträge) hinter der Hälfte der gesetzlichen Erbquote (=Pflichtteilsquote) zurückbleibt.
Weiter kommt § 2326 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann ggf. auch ein Erbe eine Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen gegen einen Miterben bzw. einen Beschenkten (teilweise) geltend machen.
Achtung:
In einigen wenigen Fallkonstellationen sollte auch hier in Erwägung gezogen werden, die Erbschaft innerhalb einer 6-Wochen-Frist auszuschlagen.
Jedoch können hier wegen der Vielzahl und der hohen Komplexität nicht sämtliche tatsächlich mögliche Fallkonstellationen beschrieben werden.
Bitte beachten Sie:
Hier sollten Sie daher immer schnellstmöglich anwaltlichen Rat einholen (Achtung: ggf. läuft 6-Wochen-Frist).
Welche Besonderheiten gibt es, wenn der Pflichtteilsberechtigte zwar enterbt, jedoch mit einem Vermächtnis bedacht wurde?
Ist eine pflichtteilsberechtigte Person mit einem Vermächtnis bedacht, so kann sie gemäß § 2307 BGB den Pflichtteil fordern, wenn sie das Vermächtnis ausschlägt. Schlägt sie das Vermächtnis nicht aus, so steht ihr ein Recht auf den Pflichtteil nur noch in Höhe der Differenz zwischen ihrem Pflichtteil und dem Wert des Vermächtnisses zu.
Je nach Ausgestaltung des Testaments, z.B. durch die Anordnung von Untervermächtnissen etc., ist es jedoch ratsam das Vermächtnis auszuschlagen um den vollen Pflichtteil zu erhalten.
Achtung:
Sind Sie als pflichtteilsberechtige Person zum einen enterbt und zum anderen mit einem Vermächtnis begünstigt, sollten Sie immer schnellstmöglich anwaltlichen Rat einholen (Achtung: ggf. läuft 6-Wochen-Frist).
Wann sollte der Ehepartner trotz Einsetzung als Erbe die Erbschaft ggf. ausschlagen und Pflichtteilsansprüche geltend machen?
Lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (kein Ehevertrag), kann es ratsam sein, dass der überlebende Ehepartner die Erbschaft ausschlägt (Achtung: 6-Wochen-Frist). So erhält er den Pflichtteil und den rechnerischen Zugewinnausgleich. Dies kann mehr sein, als sein Erbe.
Bitte beachten Sie:
Sind Sie Ehepartner und haben während der Ehe deutlich weniger Vermögen angesammelt als Ihr verstorbener Ehepartner, sollten Sie immer Rat einem Anwalt einholen (Achtung: ggf. läuft 6-Wochen-Frist).
Weiter mit dem nächsten Schritt…
Wie wird der Pflichtteil beim Erben berechnet?
Bei der Berechnung des Pflichtteilanspruches kommt es u.a. auf folgende Einflussfaktoren an:
- Höhe der Pflichtteilsquote
- Wert des Nachlasses des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalles
- Vertragliche und gesetzliche Anrechnungs- und Ausgleichspflichten
- anrechnungspflichtige Zuwendungen des Erblassers (Verstorbenen) an den Pflichtteilsberechtigten (§ 2315 BGB)
- ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge (§§ 2316, 2050 BGB)
- ausgleichungspflichtige besondere Leistungen eines Abkömmlings zugunsten des Erblassers, wie z.B. Pflege oder Hilfe im Haushalt (§ 2357a BGB)
- Lebzeitige Übertragungen und Schenkungen des Erblassers (Pflichtteilsergänzungsanspruch)
- lebzeitige Schenkungen bzw. Übertragungen des Erblassers (§ 2325 BGB, Pflichtteilsergänzungsanspruch)
- Schenkungen bzw. Übertragungen des Erblassers an diejenige Person, die Pflichtteilsansprüche geltend macht (Eigengeschenke)
Sämtliche vorgenannten Einflussfaktoren können ggf. die rechnerische Höhe des individuellen Pflichtteilsanspruch erhöhen oder reduzieren. Der an den Pflichtteilsberechtigten zu zahlende Geldbetrag wird aus dem Zusammenspiel all dieser Einflussfaktoren berechnet und die Berechnung kann daher mitunter sehr komplex sein.
Es besteht jederzeit die Gefahr, dass der Pflichtteilsanspruch falsch berechnet wird.
Wie hoch ist die Pflichtteilsquote?
Die Pflichtteilsquote entspricht der Hälfte der gesetzlichen Erbquote (§ 2303 Absatz 1 Satz 2 BGB). In einigen Fällen kann sie kompliziert zu berechnen sein. In den nachfolgenden Tabellen sehen Sie auf einen Blick die Höhe der in Ihrem Anliegen richtigen Pflichtteilsquote.
Welche Pflichtteilsquote haben Kinder bzw. Enkelkinder (Erblasser war verheiratet)? Pflichtteil Kinder?
Erblasser war verheiratet im Güterstand der… | Anzahl der Kinder bzw. Stämme (bei vorverstorbenen Kindern wird deren Pflichtteil anteilig auf deren Kindern verteilt, haben die vorverstorbenen Kinder keine Abkömmlinge, werden sie nicht mitgezählt) | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
1 Kind (Stamm) | 2 Kinder (2 Stämme) | 3 Kinder (3 Stämme) | 4 Kinder (4 Stämme) | 5 Kinder (5 Stämme) | 6 Kinder (6 Stämme) | |
Zugewinngemeinschaft (Normalfall, ohne Ehevertrag) |
1/4 | 1/8 | 1/12 | 1/16 | 1/20 | 1/24 |
Gütertrennung | 1/4 | 1/6 | 1/8 | 3/32 | 3/32 | 1/16 |
Gütergemeinschaft | 3/8 | 3/16 | 3/24 | 3/32 | 3/32 | 1/16 |
deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft | 3/8 | 3/16 | 3/24 | 3/32 | 3/32 | 1/16 |
Welche Pflichtteilsquote haben Kinder bzw. Enkelkinder (Erblasser war nicht verheiratet)? Pflichtteil Kinder?
Anzahl der Kinder bzw. Stämme (bei vorverstorbenen Kindern wird deren Pflichtteil anteilig auf deren Kindern verteilt, haben die vorverstorbenen Kinder keine Abkömmlinge, werden sie nicht mitgezählt) | |||||
---|---|---|---|---|---|
1 Kind (Stamm) | 2 Kinder (2 Stämme) | 3 Kinder (3 Stämme) | 4 Kinder (4 Stämme) | 5 Kinder (5 Stämme) | 6 Kinder (6 Stämme) |
1/2 | 1/4 | 1/6 | 1/8 | 1/10 | 1/12 |
Wie hoch ist die Pflichtteilsquote des Ehepartners?
Güterstand | Erblasser hatte Kinder, Enkel oder Urenkel |
Erblasser hatte keine Kinder und dessen Eltern, Geschwister oder Neffen bzw. Nichten leben noch |
||
---|---|---|---|---|
1 Kind (Stamm) | 2 Kinder (2 Stämme) | 3 Kinder (3 Stämme) | ||
Zugewinngemeinschaft (Normalfall, ohne Ehevertrag) |
||||
großer Pflichtteil | 1/4 | 1/4 | 1/4 | 3/8 |
oder | ||||
kleiner Pflichtteil + rechnerischer Zugewinnausgleich | 1/8 | 1/8 | 1/8 | 1/4 |
Gütertrennung | 1/4 | 1/6 | 1/8 | 1/4 |
Gütergemeinschaft | 1/8 | 1/8 | 1/8 | 1/4 |
deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft | 1/8 | 1/8 | 1/8 | 1/4 |
Lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (dies ist ohne Abschluss eines notariellen Ehevertrages der Regelfall) kann es, zu einer unterschiedlichen Berechnung der Pflichtteilsquote bzw. seiner Ansprüche kommen.
Die Pflichtteilsquote hängt u.a. davon ab, ob der Ehepartner Erbe bzw. Vermächtnisnehmer wurde, enterbt wurde oder taktisch die Erbschaft ausgeschlagen hat.
Er kann im Falle seiner Enterbung den sog. „kleinen Pflichtteil“ (güterrechtliche Lösung) verlangen. D.h., die Pflichtteilsquote des Ehepartners richtet sich nach dem nicht erhöhten Erbteil. Jedoch bekommt der Ehepartner zusätzlich den rechnerischen Zugewinn.
Wird der Ehepartner Erbe oder nimmt ein Vermächtnis an, so kann er den sog. „großen Pflichtteil“ (erbrechtliche Lösung) fordern. Beim „großen Pflichtteil“ erhöht sich der für die Berechnung der Pflichtteilsquote maßgebende rechnerischen Erbteil um 1/4 als pauschaler Zugewinnausgleich. Jedoch erhält der Ehepartner in diesem Falle dann keinen zusätzlichen rechnerischen Zugewinn.
In bestimmten Fallkonstellation kann es daher für einen Ehepartner sogar ratsam bzw. finanziell vorteilhafter sein, innerhalb einer 6-Wochen-Frist sein Erbe auszuschlagen, um so neben dem kleinen Pflichtteil zusätzlichen den rechnerischen Zugewinnausgleich fordern zu können.
Bitte beachten Sie:
In sämtlichen vorgenannten Konstellationen sollten Sie immer schnellstmöglich (Achtung: 6-Wochen-Frist) anwaltlichen Rat einholen.
Welche Pflichtteilsquote haben die Eltern (Erblasser war nicht verheiratet)?
Eltern haben folgende Pflichtteilsquoten wenn ihr Kind (Erblasser = Verstorbener) nicht verheiratet war (Pflichtteil der Eltern): | ||
---|---|---|
mindestens ein Abkömmling des Erblassers (Kindes) lebt noch | Erblasser hatte keine Kinder | |
nur noch ein Elternteil lebt | beide Elternteile leben jeweils | |
0 | 1/2 | 1/4 |
Welche Pflichtteilsquote haben die Eltern (Erblasser war verheiratet)?
Güterstand, in dem das verstorbene Kind mit seinem Ehepartner gelebt hat | verstorbenes Kind hat eigene lebende Abkömmlinge | Erblasser hatte keine Kinder, nur noch ein Elternteil lebt | Erblasser hatte keine Kinder, beide Elternteile leben (jeweils) |
---|---|---|---|
Zugewinngemeinschaft (Normalfall, ohne Ehevertrag) | |||
Ehepartner des Kindes ist Erbe oder Vermächtnisnehmer | 0 | 1/8 | 1/16 |
oder | |||
Ehepartner des Kindes ist (mglw. wegen Ausschlagung) weder Erbe noch Vermächtnisnehmer | 0 | 1/4 | 1/8 |
Gütertrennung | 0 | 1/4 | 1/8 |
Gütergemeinschaft | 0 | 1/4 | 1/8 |
deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft | 0 | 1/4 | 1/8 |
Wie wird die Höhe des Nachlasswertes berechnet?
Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch ist der Nachlasswert. Der Nachlasswert bestimmt sich ausschließlich nach dem eigenen Vermögen des Erblassers. Das Vermögen anderer Personen, z.B. des Ehepartners, wird in der Regel nicht berücksichtigt.
Der Nachlasswert ist gemäß §§ 2311-2313 BGB zu ermitteln. Maßgebender Zeitpunkt für die Wertermittlung ist der Erbfall. Bei der Berechnung sind sämtliche Aktivapositionen (Guthabenwerte) zu addieren und sämtliche Passivapositionen (Verbindlichkeiten) abzuziehen. Aus dem so errechneten Saldo wird anhand der Pflichtteilsquote der Pflichtteil ermittelt.
Unter anderem könnten folgende Aktivapositionen den Wert des Nachlasses ausmachen:
- Häuser, Eigentumswohnungen, Grundstücke
- Unternehmen, Unternehmensbeteiligungen, gesellschaftsrechtliche Ansprüche, etc.
- Bargeld, Bankguthaben, Sparbücher, Depots, Kryptowährungen, Wertpapiere, Fonds, etc.
- Einrichtung, Hausrat, Garderobe, persönliche Gegenstände
- Fahrzeuge (z.B.: Kfz, Motorräder, Nutzfahrzeuge, Schiffe, Oldtimer)
- Schmuck, Edelmetalle, Kunstgegenstände und Sammlungen (z.B.: Gemälde, Antiquitäten, Briefmarken, Münzen)
- Lebensversicherungen, Darlehen, Rückforderungsansprüche, sonstige Forderungen
- Jagdrechte, gewerbliche Schutzrechte, Urheberrechte und sonstige Rechte
- Beteiligungen an Erbengemeinschaften
- und sonstige Nachlassgegenstände bzw. Werte
Folgende Passivapositionen könnten beispielsweise den Nachlasswert reduzieren:
- Beerdigungskosten
- offene Erblasserrechnungen
- Nachlassbewertungskosten (z.B. für Sachverständigengutachten, Kostenvoranschläge)
- Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis
- Kosten für eine Nachlassverwaltung, Nachlasssicherung, Nachlasspflegschaft, Inventarerrichtung, Ermittlung der Nachlassgläubiger, Aufgebotsverfahrens, etc.
- gewährte Darlehen
- Verbindlichkeiten
- Steuerschulden
- Zugewinnausgleich an überlebenden Ehegatten
- ggf. Unterhaltsansprüche
Für sämtliche vorgenannten Positionen ist ggf. der Verkehrswert bzw. der allgemeine Wert zu ermitteln. In der Praxis kommt es im Rahmen der Wertermittlung häufig zu Streitigkeiten zwischen den Erben und den Pflichtteilsberechtigten.
Wie ermittelt man den Verkehrswert von Nachlassgegenständen?
Die pflichtteilsberechtigte Person kann vom Erben oder den Erben auch verlangen, dass der Wert von einzelnen Nachlassgegenstände ermittelt wird (sog. Wertermittlungsanspruch).
Denn in einem Nachlassverzeichnis müssen nicht unbedingt die Werte angegeben werden. Der Wertermittlungsanspruch muss separat vom Erben oder den Erben separat verlangt werden.
Die Wertermittlung einzelner Nachlassbestandteile (z.B. Immobilien oder Schmuckstück) erfolgt durch einen vom Erben beauftragten Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses. Über das Ergebnis des Sachverständigengutachtens gibt es häufig unterschiedliche Ansichten.
Welche Anrechnungs- und Ausgleichspflichten sind ggf. zu berücksichtigen?
In einigen Erbfällen sind auch im Pflichtteilsrecht Anrechnungs- und Ausgleichspflichten zu beachten:
- Der Pflichtteilsberechtigte hat sich das auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.
Sprich, sobald der Verstorbene etwas an den Pflichtteilsberechtigten schenkt und sagt, dass er dieses Geschenk auf den Pflichtteil anrechnen lassen muss, ist es bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2315 BGB zu berücksichtigen. - Wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind, so kommt es zwischen diesen ggf. zu Ausgleichspflichten (§ 2050 BGB). Dies könnte dann der Fall sein, wenn es lebzeitig regelmäßige (monatliche) Zahlungen im Übermaß gab oder die Ausbildung eines Abkömmlings im Übermaß durch den Erblasser finanziert wurde. Weiter könnten Ausgleichspflichten aufgrund einer Ausstattung entstehen. Eine Ausstattung ist alles, was einem Kind mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von dem Vater oder der Mutter zugewendet wird.
Die Ausgleichspflichten sind bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen (§§ 2050, § 2316 BGB). - Ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, kann bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen gemäß § 2057a BGB verlangen. Solche Leistungen sind aber auch nach § 2316 BGB bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen.
Die Berechnung des Pflichtteils im Falle einer Anrechnungspflicht und/oder einer Ausgleichungspflicht stellt sich mitunter recht kompliziert dar. Ebenso ist nicht immer auf den ersten Blick klar, ob tatsächlich anzurechnen oder auszugleichen ist.
Da sich hier jedoch der Pflichtteilsanspruch deutlich erhöhen oder ggf. auch verringern kann, empfiehlt es sich immer anwaltlichen Rat einzuholen.
Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Durch den Pflichtteilsergänzungsanspruch soll die pflichtteilsberechtigte Person – egal ob erbend oder enterbt – vor einer Aushöhlung des Nachlasses durch Schenkungen geschützt werden.
Daher hat der Gesetzgeber in § 2325 BGB geregelt, dass die pflichtteilsberechtigte Person zusätzlich zum Pflichtteil vom Erben einen Betrag verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
Beispiel:
Der verwitwete Erblasser enterbt seine einzige Tochter. Alleinerbin wird die Lebensgefährtin.
Der Wert des Nachlasses abzgl. sämtlicher Passiva beläuft sich auf 40.000 Euro.
Einige Tage vor dem Tod hatte der Verstorbene zudem seiner Lebensgefährtin sein Kraftfahrzeug im Wert von 40.000 Euro geschenkt.
Damit erhält die Tochter bei einer Pflichtteilsquote von 1/2 einen Pflichtteil von 20.000 Euro.
Wegen der Schenkung des Kraftfahrzeuges erhält sie als Ergänzungspflichtteil wegen ihrer Pflichtteilsquote von 1/2 jedoch weitere 20.000 Euro.
Die Tochter hat daher einen Anspruch auf den gesamten Nachlass, insgesamt bekommt sie also 40.000 Euro.
-
Welche Schenkungen sind zu berücksichtigen?
Pflichtteilsergänzungsrelevant sind bis auf wenige Ausnahme (siehe weiter unten) sämtliche Schenkungen.
Eine Schenkung liegt immer dann vor, wenn eine Person einer anderen Person etwas gibt und dadurch das Vermögen der einen Person verringert und das der anderen ohne einer Gegenleistung bzw. nur mit einer teilweisen Gegenleistung (gemischte Schenkung) erhöht wird. Zudem müssen sich die beiden Personen über die Unentgeltlichkeit bzw. teilweise Unentgeltlichkeit einig sind.
-
Welche Schenkungen sind ggf. nicht zu berücksichtigen (Anstands- und Pflichtschenkungen)?
Gemäß § 2330 BGB sind Anstands- und Pflichtschenkungen von der Ergänzungspflicht ausgenommen.
Eine bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht zu berücksichtigende Pflichtschenkung kann möglicherweise vorliegen, wenn
- die Altersversorgung oder der Lebensunterhalt eines langjährigen Lebenspartners gesichert werden soll,
- Bedürftige, nahe Verwandte, die keinen rechtlichen Unterhaltsanspruch mehr haben, unterstützt werden sollen,
- jemand, der viele Jahre unentgeltlich im Haushalt mitgearbeitet hat, beschenkt werden soll.
Unter die nicht den Pflichtteilsergänzungsanspruchs erhöhenden Anstandsschenkungen können möglicherweise
- gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke,
- Geschenke unter nahen Verwandten zu Geburtstagen, Hochzeitstagen, Weihnachten oder ähnlichen Gelegenheiten,
- Gastgeschenke
- und Spenden fallen.
Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Schenkung der Pflichtteilergänzung unterliegt oder nicht.
Mit welchem Wert sind Schenkungen zu berücksichtigen?
Der Wert, mit dem Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches zu berücksichtigen sind, ist nicht ganz so einfach zu ermitteln.
Zunächst kommt gemäß § 2325 Abs.2 BGB eine verbrauchbare Sache (Geld, Wertpapiere) mit dem Wert in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte.
Ein anderer Gegenstand (z.B. Immobilien, Schmuck) kommt nach dieser Vorschrift mit dem Wert in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat. Hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht (Niederstwertprinzip).
Ist der Schenkungszeitpunkt maßgebend, so ist zudem immer der Kaufkraftverlust zu berücksichtigen. Es ist daher eine Wertanpassung des Schenkwertes mittels des Verbraucherpreisindexes hin zum Todestag vorzunehmen.
Was hat es mit der 10-Jahres-Frist auf sich?
Eine Schenkung wird gemäß § 2325 Abs.3 BGB innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang und innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein weiteres Zehntel weniger berücksichtigt (Abschmelzung oder pro-rata-Lösung). Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.
Die Schenkung ereignete sich (maßgebend ist fast immer der Eigentumsübergang) bis längstens genau : | Berücksichtigung in Prozent: |
---|---|
1 Jahr vor dem Todestag | zu 100 % |
2 Jahre vor dem Todestag | zu 90 % |
3 Jahre vor dem Todestag | zu 80 % |
4 Jahre vor dem Todestag | zu 70 % |
5 Jahre vor dem Todestag | zu 60 % |
6 Jahre vor dem Todestag | zu 50 % |
7 Jahre vor dem Todestag | zu 40 % |
8 Jahre vor dem Todestag | zu 30 % |
9 Jahre vor dem Todestag | zu 20 % |
10 Jahre vor dem Todestag | zu 10 % |
über 10 Jahre vor dem Todestag | zu 0 % |
Beispiel:
Der Todestag ist am 11.11.2020.
Die Schenkung des Verstorbenen vom 09.11.2019 wäre mit 90 % zu berücksichtigen (zwischen Schenkung und Todestag liegt mehr als 1 Jahr, aber weniger als 2 Jahre).
Eine Schenkung des Verstorbenen vom 12.11.2019 wäre, da noch kein volles Jahr zwischen Schenkung und Todestag vergangen ist, mit 100 % zu berücksichtigen.
Wäre die Schenkung vom 09.11.2019 jedoch an den Ehepartner erfolgt, wäre sie ebenfalls mit 100% zu berücksichtigen.
Wann kommt es überhaupt nicht auf die 10-Jahres-Frist an?
Bei Schenkung an den Ehegatten beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe (Tod, Scheidung). Das bedeutet, dass auch länger als 10 Jahre zurückliegende Schenkungen ohne Abschmelzung zu 100 % bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches zu berücksichtigen sind.
Zudem beginnt die 10-Jahres-Frist nach dem Bundesgerichtshof nicht zu laufen, wenn der Verstorbenne den verschenkten Gegenstand im Wesentlichen weiter nutzt.
Insbesondere also, wenn er sich zum Beispiel bei einer Grundstücksschenkung den Nießbrauch oder ein umfassendes Wohnrecht vorbehält.
Oder aber wenn der Erblasser das von ihm verschenkte Fahrzeug ausschließlich selbst fährt. Letztlich können ggf. auch vorbehalte Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte den Fristbeginn verhindern.
In all diesen Fällen findet keine Abschmelzung (Reduzierung des Schenkwertes um jährlich 10 %) statt bzw. auch länger als 10 Jahre zurückliegende Schenkungen sind bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches zu berücksichtigen.
Wie werden Schenkungen an die pflichtteilsberechtigte Person berücksichtigt (Eigengeschenke)?
Hat die pflichtteilsberechtigte Person selbst Schenkungen vom Erblasser erhalten, so sind diese in gleicher Weise wie die anderen Personen gemachte Geschenke zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches dem Nachlass hinzuzurechnen.
Jedoch hat sich der Pflichtteilsberechtigte das Eigengeschenk auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen zu lassen.
Achtung:
Bei diesen Eigegengeschenken an die pflichtteilsberechtigte Person findet die 10-Jahresregel und damit die jährliche Abschmelzung keine Anwendung.
D.h., auch Schenkungen die länger als 10 Jahre vor dem Tod stattfanden, werden zu 100 % zu Ungunsten des Pflichtteilsberechtigten im Rahmen der Pflichtteilsergänzung berücksichtigt.
Beispiel:
Der verwitwete Verstorbene hat seine Tochter zur Alleinerbin eingesetzt und dieser 5,5 Jahre vor dem Tod 80.000 € (schon indexiert) geschenkt. Der Nachlass beläuft sich nach dem Ausgleich sämtlicher Verbindlichkeiten auf null Euro. Seinem enterbten Sohn hatte er 20 Jahre vor seinem Tod einen Betrag von 8.000 € (schon indexiert) geschenkt.
Zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruch werden beide Schenkungen zunächst addiert. Die Schenkung an die Tochter wird aufgrund der Abschmelzung lediglich mit 40.000 € berücksichtigt. Die Schenkung an den Sohn wird jedoch trotz des lang zurückliegenden Schenkungszeitpunktes (20 Jahre) zu 100 % berücksichtigt. Damit ergibt sich ein Ergänzungsnachlass von 48.000 €. Die Pflichtteilsquote des Sohnes liegt bei 1/4 und der Pflichtteilsergänzungsanspruch würde sich damit auf 12.000 € belaufen. Auf diese 12.000 € muss sich der Sohn jedoch sein Eigengenschenk in Höhe von 8.000 € anrechnen lassen. So erhält er letztendlich lediglich 4.000 €.
Tipp:
Soweit der Nachlass nicht zur Zahlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ausreicht, kann das Geschenk auch gemäß § 2329 BGB von dem oder den Beschenkten zurückverlangt werden.
Damit reduzieren sämtliche Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten – egal wann diese stattfanden – dessen Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Wann verjährt der Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch sowie der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjähren in 3 Jahren.
Die Frist beginnt jeweils am Ende des Jahres, in dem die pflichtteilsberechtigte Person vom Erbfall und seiner Enterbung Kenntnis erlangt hat.
Meist wird die pflichtteilsberechtigte Person von seiner Enterbung durch die Eröffnung des sie enterbenden Testaments oder Erbvertrages durch das Nachlassgericht erfahren.
Beispiel:
Der Vater verstirbt am 27.11.2019.
Sein pflichtteilsberechtigter Sohn erfährt am 07.01.2020 durch die Testamentseröffnung des Nachlassgerichts davon, dass er enterbt wurde.
Die Verjährungsfrist beginnt also am 31.12.2020 und „läuft“ bis zum 31.12.2023.
Der Pflichtteilsanspruch wäre also am 01.01.2024 verjährt.
Bitte beachten Sie:
Die 3-jährige Verjährungsfrist beginnt ausnahmsweise schon mit dem Todestag, wenn Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beschenkten geltend gemacht werden.
Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den vom am 11.11.2020 verstorbenen Beschenkten wären also beispielsweise schon am 12.11.2023 verjährt.
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Rechtsanwalt Ralf Mangold ist Fachanwalt für Erbrecht. Er ist in der Zeitschrift ‚Focus Spezial Anwälte 2017 und 2018‘ als Top-Anwalt im Erbrecht gelistet.
Rechtsanwältin Marie-Christine Meysel ist ebenfalls Fachanwältin für Erbrecht. Sie war zunächst in zwei mittelständischen Kanzleien mit besonderer familien- und erbrechtlichen Spezialisierung tätig und wechselte dann zu uns, zu Erbrecht Mangold, Fachkanzlei für Erbrecht.
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